Der alte Mann lächelte und sagte: „Ich werde dir eine Geschichte erzählen, die ich
„Was ist daran so besonders?“, fragte der junge Mann.
“Es ist besonders, weil ich an diesem Abend gelernt habe, dass es im Leben nicht
Vor langer, langer Zeit existierte eine Insel, auf der alle Gefühle
der Menschen lebten: die gute Laune, die Traurigkeit, das Wissen …
und so wie alle anderen Gefühle, auch die Liebe.
Eines Tages wurde den Gefühlen mitgeteilt, dass die Insel sinken würde.
Also bereiteten alle ihre Schiffe vor und verließen die Insel.
Nur die Liebe wollte bis zum letzten Moment warten. Bevor die Insel sank,
bat die Liebe um Hilfe. Der Reichtum fuhr auf einem luxuriösen Schiff
an der Liebe vorbei.
Sie fragte: "Reichtum, kannst du mich mitnehmen?"
"Nein, ich kann nicht. Auf meinem Schiff habe ich viel Gold und Silber.
Da ist kein Platz für dich."
Also fragte die Liebe den Stolz, der auf einem wunderbaren Schiff vorbeikam:
"Stolz, ich bitte dich, kannst du mich mitnehmen?"
"Liebe, ich kann dich nicht mitnehmen...", antwortete der Stolz,
"hier ist alles perfekt. Du könntest mein Schiff beschädigen."
Also fragte die Liebe die Traurigkeit, die an ihr vorbeiging:
"Traurigkeit, bitte, nimm mich mit"
"Oh Liebe", sagte die Traurigkeit, "ich bin so traurig, dass ich alleine
bleiben muss."
Auch die gute Laune ging an der Liebe vorbei, aber sie war so zufrieden,
dass sie nicht hörte, dass die Liebe sie rief.
Plötzlich sagte eine Stimme: "Komm Liebe, ich nehme dich mit ".
Es war ein Alter, der sprach. Die Liebe war so dankbar und so glücklich,
dass sie vergaß den Alten nach seinem Namen zu fragen. Als sie an Land
kamen, ging der Alte fort. Die Liebe bemerkte, dass sie ihm viel schuldete
und fragte das Wissen:
"Wissen, kannst du mir sagen, wer mir geholfen hat ?"
"Es war die Zeit", antwortete das Wissen.
"Die Zeit?", fragte die Liebe, "Warum hat die Zeit mir geholfen?"
Und das Wissen antwortete:
"Weil nur die Zeit versteht, wie wichtig die Liebe im Leben ist."
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Autor leider unbekannt
Doch Bienen konnte sie in den letzten Jahren kaum noch entdecken.
Traurig wandte sie sich an ihren Nachbarn: "Ich kann kaum noch Bienen
entdecken, es werden von Jahr zu Jahr weniger."
"Ach, was nützt alles Jammern", erwiderte der alte Mann, "freuen wir uns
über die Bienen, die noch da sind."
Jedes Jahr freute sie sich über die vielen Blüten an ihrem Apfelbaum und
über die wenigen Bienen, die sie noch an den Blüten entdecken konnte.
Und in jedem Spätsommer freute sie sich über die Apfelernte, die jedoch
inzwischen von Jahr zu Jahr immer geringer ausfiel.
Traurig erzählte sie ihrem Nachbarn: "In diesem Jahr fiel die Apfelernte sehr
karg aus. Es sind nicht einmal genug Äpfel, um daraus Apfelmus für den
Winter einzukochen."
"Ach, was nützt alles Jammern", erwiderte er", genießen wir die Äpfel, die
noch da sind."
Als es ein Jahr später gar keine Äpfel mehr zu ernten gab, und sie den Tränen
nahe ihrem Nachbarn davon erzählte, zuckte er nur mit den Schultern:
"Ach, was nützt alles Jammern, genießen wir das, was sonst noch vorhanden
ist."
Äpfel gehörten jetzt nicht mehr dazu. Jedes Jahr wartete sie darauf, dass
die Bienen zurück in ihren Garten kamen, aber sie wartete vergeblich.
Sie hatte gehört, dass die Bienen im ganzen Land vom Aussterben bedroht
waren und darüber war sie sehr traurig.
"Wenn die Bienen ganz aussterben, wird es bald im ganzen Land keine
Äpfel mehr geben," gab sie ihrem Nachbarn gegenüber zu bedenken.
Der sah zwar ein, dass das Aussterben der Bienen tragisch war, aber wieder
zuckte er nur mit den Schulter und meinte: "Welchen Sinn ergibt es, darüber
zu jammern? Erfreuen wir uns an dem, was noch da ist."
"Aber bald wird gar nichts mehr da sein, das wir noch ernten könnten",
entgegnete sie ihm leicht verärgert über seine Sorglosigkeit.
"Warum darüber jammern," sagte er "es ist wie es ist".
"Aber die Menschen hätten etwas gegen das Bienensterben unternehmen
müssen", protestierte sie.
"Hätte, hätte...", brummte er im Fortgehen, "dafür ist es jetzt zu spät".
Verständnislos sah sie dem alten Mann nach, wie er mit gekrümmtem
Rücken am Ende des Weges abbog und hinter einer Hecke verschwand.
Ein Weihnachtsmärchen von Paula Dehmel
Ein weiser Mann aus dem Morgenland hatte nach Jahren mühseliger Arbeit aus den Gesteinen der Erde einen Stern zusammengesetzt, in dem die feinsten Kräfte des Lebens gebannt waren. Was dem Weisen Schönes und Wertvolles begegnet war, hatte er in Kristallen verwandelt und dem Sterne eingefügt.
Als der Wunderstern vollendet war, ließ er auf der Landstraße, die von Mekka nach Medina führt, eine prächtige Schau- und Kaufhalle errichten. Hoch oben in der Kuppel befestigte er seinen Stern. Um ihn herliefen goldene Lettern, die in einer fremden Sprache folgenden Spruch trugen:
Weib oder Mann,
sieh mich gläubig an,
dann leuchtet tief,
was verborgen schlief,
dann wird zum Kern der Dinge Gestalt,
dann wird zur Ohnmacht fremde Gewalt,
dann wird zum Helden das Kind, der Tor,
dann klimmt ein Mensch zu Gott empor!
Das eine Bild stellte den Tod dar, wie er an einer langen Kette vorbeimarschierte und mit der Sense einem Soldaten nach dem andern den Kopf abschlägt. Die Soldaten aber - und das war grausig anzusehen - standen alle stramm wie auf dem Kasernenhof, und die ihren Kopf noch hatten, machten die Augen zu. Vorn, auf dem Feuer einer platzenden Granate, saß grinsend der Teufel und schwenkte sein rotes Fähnchen.
Das Bild auf der andern Seite war ein Gastmahl in einer offenen Veranda. Eine Menge schön geputzter Herren und Damen saßen da zu Tische. Erlesene Speisen und edle Weine standen vor ihnen. Sie aßen und lachten miteinander und warfen Knochen und Brotstücke über die Brüstung. Draußen standen viele arme Leute und fingen die Brocken auf; einige mit Hass in den Augen, andere mit tiefer Verbeugung. Daneben standen etliche, die sahen traurig oder ingrimmig zu, und einer ballte die Faust nach dem Tisch mit den Speisen.
Diese beiden Bilder zogen die Menschen immer wieder machtvoll an, aber der Weise aus dem Morgenland sah kopfschüttelnd zu; die Halle war schon seit Jahren fertig, und noch kein Pilger hatte den Stern der Decke gläubig angesehen.
Da kam eines Tages ein Findelkind der Armut in das Gewölbe. Heimatlos und elternlos war der Knabe ausgezogen, aber Augen waren voll Sonne und sein Herz voll Güte. Er sang in den blauen Himmel hinein, und sein trocknes Brot mundete ihm wie köstliches Manna. Ehrfurchtsvoll trat er in das hohe Tor, ließ seine staunenden Blicke langsam durch das Gewölbe gleiten und sah entzückt auf zur Kuppel. Da war ihm, als ob das ganze Bauwerk fern oben in der Mitte zusammenfloss, und als ob sich goldene Ströme in langen Bahnen aus dem leuchtenden Sterne in die Halle zurück ergössen. Immer wieder sah er hinab - hinauf - seine Augen wurden weit vor staunender Erkenntnis, und wie zum Gebet schlossen sich seine Hände.
Da erfüllte sich das Wunder, das dem Sterne innewohnte: Er fing an sich zu drehen und dem Knaben sein verborgenes Farbenspiel zu zeigen. Weich und glühend dehnten sich seine bunten Kreise durch das Gewölbe; und was sie berührten, wurde von eigenem Leben erfüllt oder kristallen durchsichtig und offenbarte dem Beschauer sein innerstes Wirken. Da faltete der einsame Knabe gläubig die Hände und betete: "Gelobt sei Allah!"
Wie ein Träumender ging er zuerst durch das Gewimmel der anderen Pilger; sie wichen scheu vor ihm, er aber merkte es nicht.
Bald jedoch erfüllte sich die Verheißung des Weisen an ihm; es war, als ob ein geheimes Licht in Menschen und Dinge hineinleuchtete. So sah er vieles, was den andern verborgen war, und was er selbst nie vorher gesehen hatte. Auch die Bilder in der Halle sah er mit neuen Augen. Auf dem Bilde mit den geköpften Soldaten erblickte er hinter allen Gräueln den Friedensengel; und auf dem Bilde der Reichen und Armen sah er den Geist der Gerechtigkeit, der eben das Schwert aus der Scheide zog. Fern aber, zwischen beiden Bildern, tat sich ihm die Wand auf, und er sah ein neues Land in der Dämmerung liegen, wo stolze, gesunde Menschen ihrem Tagewerk und ihrer Muße nachgingen.
Und er sah das Lebendige und das Tote, und erkannte, dass ein Weizenkorn mehr sei als ein Goldkorn.
Und sah den Krieg und die Bitternis, und wusste, dass der Frieden ihr letztes Kind sein würde.
Und er sah, dass der Tod nur ruhendes Leben und das Endliche nur ein Widerspiel des Unendlichen ist.
Und er wuchs und tat seinen Mund auf und sagte den Pilgern, was er sah.
Und es ging ein Leuchten von ihm aus, sodass sie ihm glaubten und ihm anhingen.
Er hatte den Stern in der Mitte gläubig angesehen.
Kennt ihr die Geschichte vom alten Graf, der deshalb sehr alt wurde, weil
er das Leben und seine schönen Momente bewusst genießen konnte, Tag für Tag.
Er verließ niemals das Haus, ohne sich zuvor eine Handvoll Bohnen einzustecken.
Er tat dies, um die schönen Momente des Tages bewusst wahrzunehmen und sie besser
zählen zu können. Die meisten Bohnen waren dunkel und recht klein, aber zwei oder
drei waren weiß und groß. Für jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte –
einen fröhlichen Plausch auf der Straße, das Lachen einer Frau, ein köstliches Mahl,
eine feine Zigarre, einen schattigen Platz in der Mittagshitze, ein Glas guten Weines
…für alles, was seine Sinne erfreute, ließ er eine Bohne von der rechten in die linke
Jacketttasche wandern. Manchmal waren es gleich zwei oder drei.
Manchmal gab es Zeiten, wo sich vieles um ihn herum veränderte, neue Anforderungen
wurden an ihn gestellt, die ihm manchmal Angst machten, weil er nicht wusste,
ob er es schaffen würde, mit all den Veränderungen umzugehen.
Aber er spürte die vielen kleinen Bohnen in der linken Tasche, die ihm Mut machten.
Und so fing er an, mit Veränderungen umzugehen und gemeinsam mit anderen nach
neuen Wegen und praktikablen Lösungen zu suchen. Und für solche dicke Brocken,
die es zu bewältigen gibt, steckte er sich eine große weiße Bohne von der rechten
in die linke Tasche.
Abends saß er zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er zelebrierte
diese Minuten. So führte er sich vor Augen, wie viel Schönes ihm an diesem Tag
widerfahren war und freute sich. Und sogar an einem Abend, an dem er bloß eine
Bohne zählte, war der Tag gelungen – es hatte sich zu leben gelohnt.
Die Bäume stritten einmal miteinander, wer von ihnen der vornehmste wäre.
Da trat die Eiche vor und sagte:
"Seht mich an! Ich bin hoch und dick und habe viele Äste,
und meine Zweige sind reich an Blättern und Früchten."
"Früchte hast Du wohl", sagte der Pfirsichbaum; "allein es sind nur Früchte
für die Schweine; die Menschen mögen nichts davon wissen.
Aber ich, ich liefere die rotbackigen Pfirsiche auf die Tafel des Königs".
"Das hilft nicht viel", sagte der Apfelbaum," von deinen Pfirsichen
werden nur wenige Leute satt".
Auch dauern sie nur wenige Wochen; dann werden sie faul,
und niemand kann sie mehr brauchen.
Da bin ich ein anderer Baum. Ich trage alle Jahre Körbe voll Äpfel,
die brauchen sich nicht zu schämen,
wenn sie auf eine vornehme Tafel gesetzt werden.
Sie machen auch die Armen satt. Man kann sie den ganzen Winter
im Keller aufbewahren oder im Ofen dörren oder Most daraus keltern.
Ich bin der nützlichste Baum!"
"Das bildest du dir nur ein", sagte die Fichte, "aber du irrst dich.
Mit meinem Holz baut man die Häuser und heizt man die Öfen.
Mich schneidet man zu Brettern und macht Tische, Stühle, Schränke,
ja sogar Schiffe daraus. Dazu bin ich im Winter nicht so kahl wie ihr,
ich bin das ganze Jahr hindurch schön grün. Auch habe ich noch einen Vorzug.
Wenn es Weihnachten wird, dann kommt das Christkindchen,
setzt mich in ein schönes Gärtchen und hängt goldene Nüsse
und Äpfel an meine Zweige. Über mich freuen sich die Kinder
am allermeisten. Ist das nicht wahr"?
🎄
Dem konnten die anderen Bäume nicht widersprechen.
Wilhelm Curtman (1802-1871)
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