Sonntag, 2. April 2023

Die letzten Bienen

 Sie schaute sich in ihrem Garten um, in ihrem schönen Garten, in dem
allerlei wuchs und blühte. Viele Bäume, Sträucher, Blumen und ein
bisschen Gemüse hatte sie in all den Jahren angepflanzt sowie einen
Apfelbaum.

 

Doch Bienen konnte sie in den letzten Jahren kaum noch entdecken.
Traurig wandte sie sich an ihren Nachbarn: "Ich kann kaum noch Bienen
entdecken, es werden von Jahr zu Jahr weniger."
"Ach, was nützt alles Jammern", erwiderte der alte Mann, "freuen wir uns
über die Bienen, die noch da sind."
Jedes Jahr freute sie sich über die vielen Blüten an ihrem Apfelbaum und
über die wenigen Bienen, die sie noch an den Blüten entdecken konnte.
Und in jedem Spätsommer freute sie sich über die Apfelernte, die jedoch
inzwischen von Jahr zu Jahr immer geringer ausfiel.
 
Traurig erzählte sie ihrem Nachbarn: "In diesem Jahr fiel die Apfelernte sehr
karg aus. Es sind nicht einmal genug Äpfel, um daraus Apfelmus für den
Winter einzukochen."
"Ach, was nützt alles Jammern", erwiderte er", genießen wir die Äpfel, die
noch da sind."
Als es ein Jahr später gar keine Äpfel mehr zu ernten gab, und sie den Tränen
nahe ihrem Nachbarn davon erzählte, zuckte er nur mit den Schultern:
"Ach, was nützt alles Jammern, genießen wir das, was sonst noch vorhanden
ist."
Äpfel gehörten jetzt nicht mehr dazu. Jedes Jahr wartete sie darauf, dass
die Bienen zurück in ihren Garten kamen, aber sie wartete vergeblich.
Sie hatte gehört, dass die Bienen im ganzen Land vom Aussterben bedroht
waren und darüber war sie sehr traurig.
 
"Wenn die Bienen ganz aussterben, wird es bald im ganzen Land keine
Äpfel mehr geben," gab sie ihrem Nachbarn gegenüber zu bedenken.
Der sah zwar ein, dass das Aussterben der Bienen tragisch war, aber wieder
zuckte er nur mit den Schulter und meinte: "Welchen Sinn ergibt es, darüber
zu jammern? Erfreuen wir uns an dem, was noch da ist."
"Aber bald wird gar nichts mehr da sein, das wir noch ernten könnten",
entgegnete sie ihm leicht verärgert über seine Sorglosigkeit.
"Warum darüber jammern," sagte er "es ist wie es ist".
"Aber die Menschen hätten etwas gegen das Bienensterben unternehmen
müssen", protestierte sie.
"Hätte, hätte...", brummte er im Fortgehen, "dafür ist es jetzt zu spät".
 
Verständnislos sah sie dem alten Mann nach, wie er mit gekrümmtem
Rücken am Ende des Weges abbog und hinter einer Hecke verschwand.
 



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© Ursula Evelyn

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