Mittwoch, 24. Januar 2024

Die Wassernixe

Ein Märchen der Brüder Grimm
 

Ein Brüderchen und ein Schwesterchen spielten an einem Brunnen,
und wie sie so spielten, plumpsten sie beide hinein. Da war unten
eine Wassernixe, die sprach "jetzt habe ich euch, jetzt sollt ihr
mir brav arbeiten"' und führte sie mit sich fort. Dem Mädchen gab
sie verwirrten garstigen Flachs zu spinnen, und es musste Wasser
in ein hohles Fass schleppen, der Junge aber sollte einen Baum mit
einer stumpfen Axt hauen, und nichts zu essen bekamen sie als
steinharte Klöße. Da wurden zuletzt die Kinder so ungeduldig,
dass sie warteten, bis eines Sonntags die Nixe in der Kirche war,
da entflohen sie. Und als die Kirche vorbei war, sah die Nixe,
dass die Vögel ausgeflogen waren, und setzte ihnen mit großen
Sprüngen nach. Die Kinder erblickten sie aber von weitem, und das
Mädchen warf eine Bürste hinter sich, das gab einen großen
Bürstenberg mit tausend und tausend Stacheln, über den die Nixe
mit großer Müh klettern musste; endlich aber kam sie doch hinüber.
Wie das die Kinder sahen, warf der Knabe einen Kamm hinter sich,
das gab einen großen Kammberg mit tausendmal tausend Zinken, aber
die Nixe wusste sich daran festzuhalten und kam zuletzt doch drüber.
Da warf das Mädchen einen Spiegel hinterwärts, welches einen
Spiegelberg gab, der war so glatt, so glatt, dass sie unmöglich
darüber konnte. Da dachte sie 'ich will geschwind nach Haus gehen
und meine Axt holen und den Spiegelberg entzweihauen.' Bis sie
aber wiederkam und das Glas aufgehauen hatte, waren die Kinder
längst weit entflohen, und die Wassernixe musste sich wieder in
ihren Brunnen trollen.
 
 
 
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Bild: Pixabay
 

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