Kwaku Ananse betrachtete die Welt und kam zum Schluss, dass die Menschen mit
der ihnen von Gott gegebenen Weisheit sehr unüberlegt und verschwenderisch
umgingen. So entschloss sich Kwaku Ananse, die Weisheit einzusammeln und für
spätere Zeiten aufzuheben.
Kwaku Ananse machte sich also auf den Weg durch die Welt und sammelte jedes
kleinste Stückchen Weisheit ein. Er tat sie vorsichtig in einen großen
Kürbis und füllte ihn bis zum Rand. Vorsichtig legte Kwaku Ananse den Deckel
darauf und band ihn gut fest.
Dann begann Kwaku Ananse darüber nachzudenken, wo er den Kürbis mit der
versteckt, dass ihn niemand sehen könnte. Es würde auch niemand annehmen,
dass die ganze Weisheit der Welt sich auf einer Kokospalme befinden könnte.
Kwaku Ananse band sich also den Kürbis vor den Bauch, hing sich ein langes
Seil über die Schulter und begann, langsam die Palme hinaufzuklettern.
Da der Kürbis sehr groß und sehr schwer war, musste sich Kwaku Ananse
ordentlich anstrengen. Vorsichtig setzt er Bein vor Bein und kletterte
die schwankende Palme immer höher. Er merkte plötzlich, dass sich das Band,
mit dem er den Kürbis vor seinem Bauch angebunden hatte, lockerte. So hielt
er den Kürbis mit zwei seiner Arme fest. Nun war das Klettern aber noch
schwieriger geworden. Er entschloss sich, eine Rastpause einzuschalten.
Plötzlich blickte er hinunter zum Fuß der Palme und sah dort seinen jüngsten
Sohn, der sich vor Lachen den Bauch hielt. Da wurde er zornig und rief hinunter:
"Warum lachst Du Deinen Vater aus, der sich so anstrengt, die ganze Weisheit
der Welt in Sicherheit zu bringen, Sohn?"
Da lachte der Junge noch mehr und rief zu Kwaku Ananse hinauf:
"Sage mir, Vater, wenn Du die ganze Weisheit der Welt in Sicherheit bringen
willst, warum trägst Du sie dann vor dem Bauch und nicht auf dem Rücken?
Das wäre doch viel einfacher und bequemer!"
Kwaku Ananse wurde über die frechen Worte seines Sohnes so böse, dass er ohne
zu überlegen einen Arm vom Kürbis nahm, die Hand zur Faust ballte und ihm drohte.
Ehe Kwaku Ananse jedoch noch ein Wort sagen konnte, fühlte er, dass der Kürbis
unter dem Band durch glitt. Mit einem Arm konnte er den Kürbis nicht mehr halten,
und dieser stürzte in die Tiefe. Er prallte auf den harten Boden auf und
zerbrach in tausend Stücke.
Kwaku Ananse blickte wie erstarrt hinunter und sah, wie die ganze Weisheit
der Welt in kleinen Bächen davon floss und begann, langsam in der Erde zu
versickern.
Von allen Seiten kamen die Menschen herbeigelaufen und hielten große und
kleine Holzschalen oder Kürbisse in der Hand. Manche hatten in der Eile auch
nur ein Blatt abgerissen oder auch nur einen Suppenlöffel mitgebracht.
Sie alle versuchten, so viel von der ausfließenden Weisheit zu erwischen,
wie sie nur auffangen konnten. Kwaku Ananse aber, der langsam begann, die Palme
hinunterzuklettern, wusste, dass für ihn selbst kaum ein Restchen übrigbleiben
würde.
So ist es geschehen, dass die Weisheit in der Welt so ungleich verteilt ist.
Die einen haben viel davon und die anderen viel zu wenig.
"Es lebte einmal eine weise alte Eule im Wald,
je mehr sie hörte, desto weniger sagte sie,
je weniger sie sagte, desto mehr hörte sie".
Flann O'Brien