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Sonntag, 13. Dezember 2020

Frieden

Es war einmal ein König, der schrieb einen Preis
im ganzen Land aus:
Er lud alle Künstler ein, den Frieden zu malen und
das beste Bild sollte eine hohe Belohnung bekommen.

Die Künstler im Land machten sich eifrig an die Arbeit und
brachten dem König ihre Bilder. Aber von allen Bildern,
die gemalt wurden, gefielen dem König nur zwei.
Zwischen denen musste er sich nun entscheiden.

Das erste war ein perfektes Abbild eines ruhigen Sees.
In dem See spiegelten sich die malerischen Berge,
 die den See umrandeten und man konnte jede
kleine Wolke im Wasser wiederfinden. Jeder, der das Bild sah,
dachte sofort an den Frieden.

Das zweite Bild war ganz anders. Auch hier waren Berge
zu sehen, aber diese waren zerklüftet, rau und kahl.
Über den Bergen jagten sich am grauen Himmel
wütende Wolkenberge und man konnte den Regen fallen
sehen, den Blitz aufzucken und fast auch den Donner krachen
hören. An dem einen Berg stürzte ein tosender Wasserfall
in die Tiefe. Keiner, der das Bild sah, kam auf die Idee,
dass es hier um den Frieden ging.


Aber der König sah hinter dem Wasserfall einen winzigen Busch,
der auf der zerklüfteten Felswand wuchs. In diesem kleinen
Busch hatte ein Vogel sein Nest gebaut. Dort in dem wütenden
Unwetter an diesem unwirtlichen Ort saß der Muttervogel
auf seinem Nest - in perfektem Frieden.

Welches Bild gewann den Preis?

Der König wählte das zweite Bild und begründete das so:
"Lasst Euch nicht von schönen Bildern in die Irre führen:
Frieden braucht es nicht dort, wo es keine Probleme und
keine Kämpfe gibt. Wirklicher Frieden bringt Hoffnung und
heißt vor allem, auch unter schwierigsten Umständen
und größten Herausforderungen, ruhig und friedlich
im eigenen Herzen zu bleiben."

(Verfasser leider unbekannt)

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Foto: Pixabay

Dienstag, 24. November 2020

Sprich über die Liebe

 

Da sagte Almitra: sprich zu uns über die Liebe.
Und er hob sein Haupt und blickte auf die Menschen, und Stille kam über sie.
Und mit eindringlicher Stimme sprach er:  Wenn euch die Liebe winkt, folgt ihr nach, sind auch die Pfade hart und steil. Und wenn ihre Schwingen euch umfassen, gebt euch ihr hin, mag auch das Schwert, das unter ihrem Gefieder verborgen ist, euch verletzen. Und wenn sie zu euch spricht, so glaubt ihr, selbst wenn ihre Stimme eure Tränen zerschmettert, als würde der Nordwind den Garten verwüsten. Denn so wie die Liebe euch krönt, so kreuzigt sie euch. Und wie sie euch wachsen lässt, so schneidet sie euch zurück. So wie sie emporsteigt zu eurer Höhe und eure zartesten Zweige streichelt, die in der Sonne flimmern, so steigt sie herab zu euren Wurzeln, die sich in der Erde festklammern, und rüttelt an ihnen.

Sie sammelt euch ein wie Getreidegarben.
Sie drischt euch, um euch zu entblößen.
Sie siebt euch, um euch von der Spreu zu trennen.
Sie mahlt euch, bis ihr weiß wie Mehl seid.
Sie knetet euch, bis ihr biegsam werdet.

Und dann bestimmt sie euch für ihr geheiligtes Feuer, damit ihr heiliges Brot werdet für Gottes heiliges Mahl. All dies wird die Liebe mit euch tun, auf dass ihr die Geheimnisse eures Herzens kennen lernt und in diesem Wissen ein Teil vom Innersten des Lebens werdet. Doch wenn ihr in eurer Angst nur den Frieden und die Freude der Liebe sucht, ist es besser für euch, eure Nacktheit zu bedecken und von der Tenne der Liebe fortzugehen in die Welt ohne Jahreszeiten, wo ihr lachen werdet, jedoch nicht euer ganzes Lachen, wo ihr weint, ohne all eure Tränen zu vergießen.
Liebe gibt nichts als sich selbst, und sie nimmt nichts als von sich selbst. Liebe besitzt nicht und lässt sich nicht besitzen. denn die Liebe genügt der Liebe.
Wenn ihr liebt, sollt ihr nicht sagen: Gott ist in meinem Herzen, sondern: ich bin in Gottes Herz.
Und denkt nicht, ihr könntet den Lauf der Liebe lenken, denn die Liebe lenkt euren Lauf, wenn sie euch für würdig hält. Liebe kennt keinen anderen Wunsch, als sich selbst zu erfüllen.

Doch wenn ihr liebt und dennoch Wünsche habt, dann sollt ihr euch folgendes wünschen:
Zu schmelzen und wie ein rieselnder Bach zu sein, welcher der Nacht ein Lied singt. Den Schmerz von übergroßer Zärtlichkeit zu kennen. Vom eigenen Verständnis der Liebe verwundet zu sein und willig und voller Freude zu bluten. Bei Anbruch des Morgens mit beflügeltem Herzen zu erwachen und für den neuen Tag der Liebe Dank zu sagen. Um die Mittagszeit zu ruhen und dem Rausch der Liebe nachzusinnen.

Mit Dankbarkeit erfüllt am Abend heimzukehren und einzuschlafen mit einem Gebet für den Geliebten im Herzen und einem Lobgesang auf den Lippen.

Khalil Gibran


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 Foto: Pixabay

Sonntag, 22. Dezember 2019

Die vier Kerzen

 
Vier Kerzen brannten am Adventskranz und draußen war es ganz still.
So still, dass man hörte, wie die Kerzen miteinander zu reden begannen.
Die erste Kerze seufzte und sagte:
"Ich heiße FRIEDEN. Mein Licht gibt Sicherheit, doch die Menschen halten
keinen Frieden. Sie wollen mich nicht." Ihr Licht wurde kleiner und kleiner
und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte:
"Ich heiße GLAUBEN. Aber ich fühle mich überflüssig. Die Menschen glauben
an gar nichts mehr. Es hat keinen Sinn, dass ich brenne.
Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze war aus.
 
Leise und sehr zaghaft meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort:
"Ich heiße LIEBE. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen; denn die Menschen
sind zu Egoisten geworden. Sie sehen nur sich selbst und sind nicht bereit
einander glücklich zu machen." Und mit einem letzten Aufflackern war auch
dieses Licht ausgelöscht.
Da kam ein Kind ins Zimmer. Verwundert schaute es die Kerzen an und sagte:
"Aber ihr sollt doch brennen und nicht aus sein."
Da meldete sich die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte:
"Hab keine Angst, denn so lange ich brenne, können wir auch die anderen
Kerzen immer wieder anzünden. Ich heiße HOFFNUNG."
Mit einem kleinen Stück Holz nahm das Kind Licht von dieser Kerze
und erweckte Frieden, Glauben und die Liebe wieder zu Leben.
 
(Lichtkreis)
 


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Donnerstag, 28. November 2019

Das einsame Blatt




Das einsame Blatt
Es war einmal ein Blatt, das am unteren Stamm eines wunderschönen Kirschbaumes, wuchs. Es war nicht mehr ganz jung, schließlich hatte es fast sein ganzes Leben an diesem Stamm verbracht und über die Jahreszeiten viel erlebt. Sogar manche Wetterkapriolen hatte es gut überstanden. Damals, als es noch frisch und grün (hinter den Ohren war, hätte ich jetzt beinahe geschrieben), genoss es sein Leben inmitten all der anderen Bäume und Pflanzen und freute sich sein Leben hier verbringen zu dürfen. Es freute sich über die Sonne, das Licht und den Schatten. Doch als das Frühjahr sich seinem Ende zuneigte und immer mehr Blüten an ihm vorbei auf den Erdboden fielen, schaute es zum ersten Mal hoch in die Krone des Baumes. Es konnte kaum glauben, dass sich dort so viele Blätter und Blüten an den Ästen und Zweigen befanden, die neugierig zu ihm herunter schauten. 
Von nun an träumte das Blatt davon, auch dort oben verweilen zu können. Wie gerne hätte es mal einen Blick in den Himmel geworfen, der ihm durch die dichte Baumkrone versperrt blieb.
Das Blatt wurde von Tag zu Tag trauriger und fühlte sich von den anderen ausgeschlossen.  Als dann der Sommer kam und ein leichter Wind durch die Blätter wehte, vernahm es ein leises Säuseln, so, als würde der Wind eine Melodie spielen. Es sah, wie sich die Blätter dazu wie zu einem Tanz bewegten. Es hätte so gerne mit dem Wind und den anderen getanzt, aber es konnte sich nicht bewegen, der Stamm hielt es fest an sich gedrückt. Mit jedem Tag der verging, fühlte sich das Blatt kleiner und einsamer. Wie gerne wäre es dort oben bei den anderen gewesen, um in die Melodie des Windes einzustimmen. Von nun an hatte es nur noch einen Wunsch, es wollte unbedingt bei den anderen sein. 
So verging ein Tag nach dem anderen und jeden Tag träumte das Blatt davon, wie schön es wäre, einen Blick in den blauen Himmel werfen zu können, sich zur Melodie des Windes bewegen zu können, sich frei und unabhängig zu fühlen. Doch mit jedem Tag verlor es ein Stück Hoffnung und Lebensfreude.




Bis zu dem Tag im Herbst, als ein sehr heftiger Wind durch den Garten fegte. Es konnte kaum glauben, was plötzlich geschah. Ein Blatt nach dem anderen segelte an ihm vorbei zu Boden. Auf einmal lagen sie vor ihm und schauten zu ihm herauf. Dem einsamen Blatt wurde ganz warm. Es begann sogar in wunderschönen Farben zu leuchten. Es fühlte sich mit einem Mal nicht mehr so alleine. Und trotzdem wurde es von einem Gefühl des Unbehagens ergriffen. Das war eigentlich nicht das, was es sich gewünscht hatte. Es wollte doch bei den anderen sein. Doch nun lagen sie da unten, unter ihm, nicht weit entfernt, es musste zu ihnen herabschauen. Das gefiel dem Blatt gar nicht. Alles, was es wollte war doch, bei den anderen zu sein. Und so verging der Herbst und der Winter nahte. Der hielt viel zu früh Einzug und hatte einen mächtigen Sturm im Gepäck, so dass Baum, der in der trockenen Sommerzeit viel Kraft verloren hatte, das Blatt nicht mehr festhalten konnte. Eine heftige Böe riss das Blatt vom Stamm ab und bevor es wusste wie ihm geschah, segelte es mit einem kaum vernehmbaren Laut der Freude zu Boden und fand sich plötzlich in Gesellschaft der anderen Blätter wieder. Was war für eine Freude ! Endlich befand es sich auf gleicher Höhe mit den anderen.
 
 
Es konnte sein Glück kaum fassen. Inmitten der anderen Blätter, begann es seine ganze Farbenpracht zu entfalten und leuchtet noch schöner, viel schöner, als es jemals zu träumen gewagt hätte. Und so wurde aus einem einsamen Blatt ein glückliches Blatt, das sich erst im Herbst seines Lebens so richtig entfalten konnte, sich wohlfühlte und zufrieden war - auch wenn es sich an manchen Tagen ein wenig schwach und kraftlos fühlte. Dafür war nun der Blick auf den Himmel frei und es war nicht mehr alleine – nur das zählte.


© Ursula Evelyn

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