Donnerstag, 26. Dezember 2019

Das Geheimnis

des Lebens
 

 
Es war einmal ein junger Mann, der suchte nach dem Geheimnis des Lebens.
Er suchte und suchte, aber er fand es nicht. Was er hingegen fand,
war eine Menge von Leuten, die genauso wie er das Geheimnis des Lebens
suchten. Da fühlte er sich gleich einmal besser, denn er wusste,
dass er nicht alleine war.
 
Dann, eines Tages hörte einer der Suchenden von einem Meister, der das
Geheimnis des Lebens besitzen sollte. So pilgerten sie alle hin zu
diesem Meister und fragten:
"Meister, besitzt Du das Geheimnis des Lebens?"
Der Meister nickte.
Dann bestürmten sie ihn: "Meister, verrate es uns, bitte".
Der Meister schüttelte den Kopf.
Die Suchenden fragten: "Aber warum nicht, Meister?"
Er antwortete: "Weil es dann kein Geheimnis mehr wäre!"
Doch die Suchenden blieben bei ihm und sorgten für ihn, lasen ihm jeden
Wunsch von den Augen ab.
Das Gerücht ging um, der Meister hätte das Geheimnis des Lebens
aufgeschrieben auf ein Stück Reispapier, das er in seinem Schrein aufbewahrte.
Als der Meister eines Tages verstarb, bauten ihm seine Schüler ein großes
Mausoleum und sie beschlossen, den Schrein nun zu öffnen,
denn sie wollten ja endlich das Geheimnis des Lebens erfahren.
Nun, es war wirklich ein Stück Reispapier im Schrein, und darauf stand:
"Das Geheimnis des Lebens habe ich zurückgelassen,
so wie ein Gast seine Spuren hinterlässt in den Herzen der Menschen,
verloren in Zeit und Raum und der Illusion. Wer das Geheimnis preisgibt,
hat keinen Grund mehr zu suchen. Werdet zu Suchenden.
Wenn Ihr findet, was Ihr sucht, seid Ihr keine Suchenden mehr - und
Ihr betrügt Euch selbst um wertvolle Erfahrungen und Begegnungen.."
 
Quelle: unbekannt

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Bild: Pixabay
 

Sonntag, 22. Dezember 2019

Die vier Kerzen

 
Vier Kerzen brannten am Adventskranz und draußen war es ganz still.
So still, dass man hörte, wie die Kerzen miteinander zu reden begannen.
Die erste Kerze seufzte und sagte:
"Ich heiße FRIEDEN. Mein Licht gibt Sicherheit, doch die Menschen halten
keinen Frieden. Sie wollen mich nicht." Ihr Licht wurde kleiner und kleiner
und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte:
"Ich heiße GLAUBEN. Aber ich fühle mich überflüssig. Die Menschen glauben
an gar nichts mehr. Es hat keinen Sinn, dass ich brenne.
Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze war aus.
 
Leise und sehr zaghaft meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort:
"Ich heiße LIEBE. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen; denn die Menschen
sind zu Egoisten geworden. Sie sehen nur sich selbst und sind nicht bereit
einander glücklich zu machen." Und mit einem letzten Aufflackern war auch
dieses Licht ausgelöscht.
Da kam ein Kind ins Zimmer. Verwundert schaute es die Kerzen an und sagte:
"Aber ihr sollt doch brennen und nicht aus sein."
Da meldete sich die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte:
"Hab keine Angst, denn so lange ich brenne, können wir auch die anderen
Kerzen immer wieder anzünden. Ich heiße HOFFNUNG."
Mit einem kleinen Stück Holz nahm das Kind Licht von dieser Kerze
und erweckte Frieden, Glauben und die Liebe wieder zu Leben.
 
(Lichtkreis)
 


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Samstag, 21. Dezember 2019

Schlittenfahrt

  
Ein feiner Dunst liegt in der Luft,
Der Wald steht tief in Träumen, 
Nur manchmal löst im Abendwind
Ein zitternd Flöckchen sich und rinnt
Schlaftrunken von den Bäumen ...
Die Peitsche knallt,  der Schlitten saust,
Die Silberschellen klingen,
Wir sitzen,  Arm an Arm geschmiegt,
Ein blasses Winterseelchen fliegt
Um uns mit weißen Schwingen
Und spricht:
Wie heiß euer Atem weht!
Mein kaltes Kleidchen zergeht
Vor seinem Hauch;
Es schlagen Flammen
Aus euren Augen, 
Und eure Hände
Und eure Seelen
Die glühen auch.  -
Wir sind so kühl ...
Schnee unser Pfühl,
Schnee unsre Speise;
Und unser Herzchen schlägt
Unter dem weißen Kleid
Ganz leise.  -
Wenn die Sonne scheint,
Ziehn wir erschrocken
Die Mützchen über das Ohr,
Fassen uns an und hocken
Unter den Zweigen.  -
Aber der Vater weint ...
Der Vater ist alt
Und die Mutter jung,
Und die Sonne weckt
Die Erinnerung
An das  lachende Leben!
Dann liegt sie unter den weißen Decken
So traumhaft schön,
Kleine,  kichernde Seufzer wehn
Um ihrem Mund, die Hände recken
Sich sehnsüchtig aus, 
Und über der Brust, der große Strauß
Eisiger Blüten nickt dazu:
"Schlafe, liebe Königin du ...!" 
Aber der Vater weint!
"Wir fürchten uns,
Wenn die Sonne scheint ..."

Die Peitsche knallt, der Schlitten saust,
Das Seelchen ist zerstoben, 
Unmerklich hat die Winternacht
Die ganze, weiße Märchenpracht
Mit Dunkelheit umwoben.

Zu Tale gehts,  es stäubt der Schnee,
Die Silberschellen klingen,
Am Wege blitzen Lichter auf,
Der Lärm der Stadt wacht brausend auf,
Und kleine Buben singen: 
"Morgen kommt der Weihnachtsmann ..."
Anna Ritter
 
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Bild: Pixabay

Mittwoch, 18. Dezember 2019

Markt und Straßen stehn verlassen 🎄

 
  
Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh' ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
 
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
 
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in's weite Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
 
Sterne hoch die Kreise schlingen,

Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!
 
Joseph von Eichendorff
 
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 Grafik: Pixabay

Montag, 9. Dezember 2019

Das Weihnachtsbäumelein 🎄

 
 
Das Weihnachtsbäumelein
Es war einmal ein Tännelein
mit braunen Kuchenherzelein
und Glitzergold und Äpflein fein
und vielen bunten Kerzlein:
Das war am Weihnachtsfest so grün,
als fing es eben an zu blühn.
Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stands im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden.
Die grünen Nadeln warn verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.
Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm -
hei! tats da sprühn und funkeln!
Und flammte jubelnd himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.
 
Christian Morgenstern

 
 
 
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