Mittwoch, 29. November 2023

Spuren im Sand

 

Eines Nachts hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten,
Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben.
Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand,
meine eigene und die meines Herrn.

Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen
war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte,
dass an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur
zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten
Zeiten meines Lebens.

Besorgt fragte ich den Herrn:
"Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du
mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten
meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am
meisten brauchte?"

Da antwortete er:
"Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie
allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten.
Dort wo du nur eine Spur gesehen hast,
da habe ich dich getragen."
 
 
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Text: Margaret Fishback Powers
Bild mit 💗und KI erstellt by Sterntalerin

Montag, 23. Oktober 2023

Mondnacht

 


 Welk sind die Blätter,
Kahl geworden die Bäume,
Geblieben ist die Erinnerung
An des Sommers Träume.

Kalt weht der Wind
Über die Weite der Felder,
Bemalt mit goldener Farbe
Hat der Herbst die Wälder.

Früh naht der Abend
In des Tages mildem Licht,
Taucht ein in das Dunkel
bis der neue Tag anbricht.

Die fernen Sterne funkeln
Der Mond scheint silberhell.
In tiefen Schlaf versunken
Entschwinde ich der Welt.

© Ursula Evelyn
 

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Bild: Pixabay

Montag, 2. Oktober 2023

Auf der Heide


Wo der Saum der Hügelketten
Fern den müden Himmel hält,
dort zerfließt in violetten
Farbentönen schon die Welt.

Bäume heben scharf umrissen
sich hervor am Bergesrand,
rings im fahlen, ungewissen
Lichte träumt das Heideland.

Träumt und drüber weiter fächelt
leicht ein lauer Abendwind,
aber, ach, den Nachtgruß lächelt
ihm kein duftig Blumenkind.

Halb verdorrte Sträucher ragen
aus dem Boden kahl und leer,
und er wiegt mit leisem Klagen
dürre Disteln hin und her.
 
Rainer Maria Rilke
 

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Foto: Pixabay

Baum im Herbst

 

 
Noch ringt verzweifelt mit den kalten
Oktobernächten um sein grünes Kleid
Mein Baum. Er liebt's, ihm ist es leid,
Er trug es fröhliche Monde lang,
Er möchte es gern behalten.
 
Und wieder eine Nacht, und wieder
Ein rauher Tag. Der Baum wird matt
Und kämpft nicht mehr und gibt die Glieder
Gelöst dem fremden Willen hin,
Bis der ihn ganz bezwungen hat.
 
Nun aber lacht er golden rot
Und ruht im Blauen tief beglückt.
Da er sich müd dem Sterben bot,
Hat ihn der Herbst, der milde Herbst
Zu neuer Herrlichkeit geschmückt.
 
Hermann Hesse
 

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Bild: Pixabay
 

Sonntag, 24. September 2023

Herbstnacht

 

Bleich schimmert der Mond über dem Wald,
zwischen den Tannen die Nebel steigen,
Die Herbstnacht kommt lautlos und kalt.
Über dem See herrscht dunkles Schweigen.
 
Träume verschleiert in des Mondes Licht,
schweben still und sanft durch die Nacht.
Mein leises Klagen, du hörst es nicht,
es geht unter bis der neue Tag erwacht.
 
Mein Herz sich sehnt nach deiner Nähe,
sich der Zeit und Vergänglichkeit stellt,
allein und ohne Hoffnung sich zehret,
zur Einsamkeit sich die Traurigkeit gesellt.
 
Herbstnacht im bleichen Licht des Mondes
Sehnsucht mit Tränen wie Tau getränkt,
das Herz wie mit Nebelschwaden umwoben,
Weiß ich, dass er nicht mehr an mich denkt.
 
© Ursula Evelyn
 

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Bild: Pixabay

Mittwoch, 13. September 2023

Eine ferne Insel

 


Vor langer, langer Zeit existierte eine Insel, auf der alle Gefühle

der Menschen lebten: die gute Laune, die Traurigkeit, das Wissen …

und so wie alle anderen Gefühle, auch die Liebe.

 

Eines Tages wurde den Gefühlen mitgeteilt, dass die Insel sinken würde.

Also bereiteten alle ihre Schiffe vor und verließen die Insel.

Nur die Liebe wollte bis zum letzten Moment warten. Bevor die Insel sank,

bat die Liebe um Hilfe. Der Reichtum fuhr auf einem luxuriösen Schiff

an der Liebe vorbei.

 Sie fragte: "Reichtum, kannst du mich mitnehmen?"

"Nein, ich kann nicht. Auf meinem Schiff habe ich viel Gold und Silber.

Da ist kein Platz für dich."

 

Also fragte die Liebe den Stolz, der auf einem wunderbaren Schiff vorbeikam:

"Stolz, ich bitte dich, kannst du mich mitnehmen?"

"Liebe, ich kann dich nicht mitnehmen...", antwortete der Stolz,

"hier ist alles perfekt. Du könntest mein Schiff beschädigen."

 

Also fragte die Liebe die Traurigkeit, die an ihr vorbeiging:

"Traurigkeit, bitte, nimm mich mit"

"Oh Liebe", sagte die Traurigkeit, "ich bin so traurig, dass ich alleine

bleiben muss."

Auch die gute Laune ging an der Liebe vorbei, aber sie war so zufrieden,

dass sie nicht hörte, dass die Liebe sie rief.

 

Plötzlich sagte eine Stimme: "Komm Liebe, ich nehme dich mit ".

Es war ein Alter, der sprach.  Die Liebe war so dankbar und so glücklich,

dass sie vergaß den Alten nach seinem Namen zu fragen. Als sie an Land

kamen, ging der Alte fort. Die Liebe bemerkte, dass sie ihm viel schuldete

und fragte das Wissen:

"Wissen, kannst du mir sagen, wer mir geholfen hat ?"

"Es war die Zeit", antwortete das Wissen. 

"Die Zeit?", fragte die Liebe, "Warum hat die Zeit mir geholfen?"

Und das Wissen antwortete:

"Weil nur die Zeit versteht, wie wichtig die Liebe im Leben ist."

 

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Autor leider unbekannt

 

Mittwoch, 23. August 2023

Ein Schloss in lächelnden Wolken

 
 
Ein Schloss in lächelnden Wolken hast du mir gebaut,
Nun wandle ich träumend durch jeden Raum.
In Träumen von Sehnsucht bin ich dort gefangen,
Nicht länger um deine Liebe bangend.
Zwischen dem Mond und einer Sternenschar
Werden meine Sehnsuchtsträume wahr.

Der lächelnde Mond wird unsere Liebe bescheinen
Mich mit dir in ewigen Träumen vereinend.
Im Wolkenschloss bleibt die Zeit für immer stehn,
Keine der lächelnden Wolken wird sie je verwehn.
Wie ein Wirbelsturm kamst du in mein Leben gerauscht
Hast mich mit deiner Liebe beglückt und berauscht.
 
Du hast mich zu deiner Prinzessin gemacht,
Mich mit magischen Worten der Liebe bedacht.
Wie ein Wirbelsturm bist du wieder verschwunden,
Hast mein Herz und meine Seele geschunden.
So sind zahlreiche Jahre vorübergegangen,
In unserer Einsamkeit waren wir beide gefangen.

Hoch in den Wolken haben wir uns wiedergefunden,
Immer noch eng in Liebe und Sehnsucht verbunden.
Wir sind fern und uns doch nah auf ewige Zeiten
In den unendlichen, ewigen, himmlischen Weiten.
Hinauf zum Wolkenschloss werde ich eilen,
Um dort bis in alle Ewigkeit mit dir zu verweilen.



 
In einem Luftschloss der Träume inmitten lächelnder Wolken
im Auge des Wirbelsturms.
 
© Ursula Evelyn

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Bilder: Pixabay