Dienstag, 24. November 2020

Vom Märchen und der Wahrheit


Die Wahrheit ging durch die Straßen ganz nackt, wie am Tag ihrer Geburt.

Kein Mensch wollte sie in sein Haus einlassen. Jeder, der sie traf,

flüchtete voller Angst vor ihr. Eines Tages ging die Wahrheit wieder

in Gedanken versunken durch die Straßen. Sie war sehr betrübt und verbittert.

Da begegnete sie dem Märchen. Das Märchen war geschmückt mit herrlichen,

prächtigen und vielfarbigen Kleidern, die jedes Auge und jedes Herz entzückten.

Da fragte das Märchen die Wahrheit: "Sage mir, geehrte Freundin

warum bist du so bedrücktund drehst dich auf den Straßen so betrübt herum?

Da antwortete ihm die Wahrheit: "Es geht mir sehr schlecht.Ich bin alt und betagt

und kein Mensch will mich kennen."

Hierauf erwiderte ihr das Märchen:

"Nicht weil du alt bist, lieben dich die Menschen nicht. 

Auch ich bin sehr alt, und je älter ich werde, desto mehr lieben mich die Menschen.

Siehe, ich will dir das Geheimnis enthüllen: Sie lieben es, dass jeder geschmückt ist

und sich ein wenig verkleidet. Ich werde dir solche Kleider borgen,

mit denen ich angezogen bin, und du wirst sehen, dass die Leute auch dich lieben werden."

Die Wahrheit befolgte diesen Rat und schmückte sich mit den Kleidern des Märchens.

Seit damals gehen Wahrheit und Märchen zusammen,

und beide sind bei den Menschen beliebt.

(Jüdisches Volksmärchen)


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Bild: Pixabay


Sprich über die Liebe

 

Da sagte Almitra: sprich zu uns über die Liebe.
Und er hob sein Haupt und blickte auf die Menschen, und Stille kam über sie.
Und mit eindringlicher Stimme sprach er:  Wenn euch die Liebe winkt, folgt ihr nach, sind auch die Pfade hart und steil. Und wenn ihre Schwingen euch umfassen, gebt euch ihr hin, mag auch das Schwert, das unter ihrem Gefieder verborgen ist, euch verletzen. Und wenn sie zu euch spricht, so glaubt ihr, selbst wenn ihre Stimme eure Tränen zerschmettert, als würde der Nordwind den Garten verwüsten. Denn so wie die Liebe euch krönt, so kreuzigt sie euch. Und wie sie euch wachsen lässt, so schneidet sie euch zurück. So wie sie emporsteigt zu eurer Höhe und eure zartesten Zweige streichelt, die in der Sonne flimmern, so steigt sie herab zu euren Wurzeln, die sich in der Erde festklammern, und rüttelt an ihnen.

Sie sammelt euch ein wie Getreidegarben.
Sie drischt euch, um euch zu entblößen.
Sie siebt euch, um euch von der Spreu zu trennen.
Sie mahlt euch, bis ihr weiß wie Mehl seid.
Sie knetet euch, bis ihr biegsam werdet.

Und dann bestimmt sie euch für ihr geheiligtes Feuer, damit ihr heiliges Brot werdet für Gottes heiliges Mahl. All dies wird die Liebe mit euch tun, auf dass ihr die Geheimnisse eures Herzens kennen lernt und in diesem Wissen ein Teil vom Innersten des Lebens werdet. Doch wenn ihr in eurer Angst nur den Frieden und die Freude der Liebe sucht, ist es besser für euch, eure Nacktheit zu bedecken und von der Tenne der Liebe fortzugehen in die Welt ohne Jahreszeiten, wo ihr lachen werdet, jedoch nicht euer ganzes Lachen, wo ihr weint, ohne all eure Tränen zu vergießen.
Liebe gibt nichts als sich selbst, und sie nimmt nichts als von sich selbst. Liebe besitzt nicht und lässt sich nicht besitzen. denn die Liebe genügt der Liebe.
Wenn ihr liebt, sollt ihr nicht sagen: Gott ist in meinem Herzen, sondern: ich bin in Gottes Herz.
Und denkt nicht, ihr könntet den Lauf der Liebe lenken, denn die Liebe lenkt euren Lauf, wenn sie euch für würdig hält. Liebe kennt keinen anderen Wunsch, als sich selbst zu erfüllen.

Doch wenn ihr liebt und dennoch Wünsche habt, dann sollt ihr euch folgendes wünschen:
Zu schmelzen und wie ein rieselnder Bach zu sein, welcher der Nacht ein Lied singt. Den Schmerz von übergroßer Zärtlichkeit zu kennen. Vom eigenen Verständnis der Liebe verwundet zu sein und willig und voller Freude zu bluten. Bei Anbruch des Morgens mit beflügeltem Herzen zu erwachen und für den neuen Tag der Liebe Dank zu sagen. Um die Mittagszeit zu ruhen und dem Rausch der Liebe nachzusinnen.

Mit Dankbarkeit erfüllt am Abend heimzukehren und einzuschlafen mit einem Gebet für den Geliebten im Herzen und einem Lobgesang auf den Lippen.

Khalil Gibran


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 Foto: Pixabay

Sonntag, 22. November 2020

Das Denken ist frei

  

 

Das Denken ist frei, ihm kann und darf

keine Gewalt geschehen.

Daher zieht der Kluge sich zurück

in das Heiligtum seines Schweigens;

und läßt er ja sich bisweilen aus,

so ist es im engen Kreise weniger

und Verständiger.

 

(Baltasar Gracián)

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Bild: Pixabay

 

Mittwoch, 8. April 2020

Liebe leben !


 

Liebe leben,
gütig sein,
sich am Glück des andern freun.
  Liebe leben,
Glück empfinden,
jeden Zweifel überwinden.
Liebe leben,
Hoffnung haben,
und die Liebe wird dich tragen.
Liebe leben,
die Seele spüren,
bis sich alle Sinne rühren,
Liebe geben,
Verständnis zeigen,
sich am Glück des andern weiden.
Liebe geben,
Liebe wecken,
Liebe einmal neu entdecken.
Liebe nehmen,
das Herz weit öffnen,
sich im siebten Himmel treffen.
Liebe leben, glücklich sein,
denn zu zweit ist man nicht allein.
Liebe fühlen,
Liebe leben,
Liebe einfach weitergeben.
  
© Ursula Evelyn
 

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Sonntag, 8. März 2020

Zum Frauentag

 
 
 
Finde Dich,
 
sei dir selber treu,
 
lerne dich verstehen,
 
folge deiner Stimme,
 
nur so kannst du
 
das Höchste erreichen.
 
 
Bettina von Arnim
1785-1859
 
 
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